Alt Wien – Eine Stadt, die niemals war

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Nachdem ich schon viel Zeit in Wien verbracht hatte, fragte mich mal eine gute Bekannte ob ich die Ausstellung „Alt-Wien“ schon gesehen hätte. Nun, als Freund von alten Sehenswürdigkeiten war es nur eine Frage der Zeit, bis ich nun vor den Toren Alt-Wiens stand.


Ausstellung (25.11.2004) – (28.03.2005)

Nach dem ich die soeben teuer erstandene Eintrittskarte der ihr zugedachten Entwertung durch den freundlichen Herrn am Eingang übergeben hatte, bewegte ich mich direkt auf eine fototechnische Nachbildung des ehemaligen Kärntnertores zu. Ein Tor von dem heute niemand mehr was in Wien ahnt, obwohl es doch vor nicht mal 200 Jahren noch jedem Zureisenden trutzig den Zugang zur Innenstadt verwehrte.

Was noch genau alles früher in Wien herumstand, konnte ich darauf hin an zwei Terminals nachschlagen, die mir einen guten Überblick gaben, welche Häuser früher an Stelle der heutigen Bauten gestanden haben.

Stehen musste ich vor den Terminals übrigens selbst auch etwas länger, den die Ausstellung war gut besucht. Nach dem ich mich nun mit ca. der halben Wiener Bevölkerung durch die weitere Ausstellung bewegte gelangte ich bald an eine besonders gelungene Installation, wo die Außenansicht des befestigten Wien als Kreisrund abgebildet war.

So konnte ich wie seinerzeit der Franzose 1805 oder noch früher der Türke 1683 rund um Wien spazieren und mir vorstellen, durch welches Tor ich in das Innere Wiens vordringen möchte.

Noch konkreter konnte ich mir das vorstellen, als ich durch Gucklöcher auf alte Fotos von Wien blicken konnte, Fotos vor dem großen Wiener „Mauerfall“, als Wien seine Festungsmauern schleifen ließ. Offiziell um mehr Luft zum Atmen zu haben, inoffiziell natürlich um mehr Platz für Zinshäuser zu haben.

Doch schon der nächste Raum zeigte mir, das es sich dabei nicht um eine Einzelerscheinung handelte. Auch in Budapest wurde die Stadt verschönt, auch in Paris wurden ganze Wohnviertel vernichtet um neue Prachtstraßen anlegen zu können.

Ob es Absicht war oder nicht, der nächste Raum war derartig verwinkelt und unübersichtlich, das ich mich fast schon selbst in Alt-Wien fühlte. An den Wänden zu den Raumteilern waren Fotos angebracht, von Häusern die es schon längst nicht mehr gab.

Darunter Erzählungen, Beschreibungen und Dokumente über das Wie und Warum der Abrisse, und zu welchem Zweck diese Häuser verschwanden. Darunter auch so lustige Dokumente, wo ein österreichischer Beamter wortreich erklärte, warum es nicht möglich sei, beim Übersiedeln des Kriegsministeriums die Türen am selben Tag im alten Gebäude ab- und im neuen Gebäude einzubauen!

Nach soviel Verwirrung wurde es dann im nächsten Raum dafür besonders schön. Der Raum war Schubert gewidmet und seiner Verehrung damals. Dabei wurden recht geistreich zwei Verfilmungen vom Leben Schuberts auf Monitoren gegenüber gestellt: Die eine zeigt ihn lachend im Kreise von noch mehr kichernden Jungfrauen („Das Dreimäderlhaus“), die andere zeigt ihn frustriert durch das verregnete Wien irren („Mit meinen heißen Tränen“). Wer war nun der richtige Schubert? Niemand weiß es genau.

Doch genug der Schubert Nostalgie, die Ausstellung handelte von Alt-Wien und genau dorthin begab ich mich nun. Wieso, warum war ich noch nicht schon seit dem Anfang der Ausstellung dort?

Nun, scheinbar gab es dieses Altwien nicht wirklich. Es war mehr ein Mythos, ganz wie ihn sich die älteren Menschen ausdenken, wenn sie von den früheren ach so besseren Zeiten reden.

Natürlich hatte Wien alte Häuser und natürlich traten im Laufe der Jahrhunderte neue an deren Stelle, so lange, bis sie selbst jüngeren Modellen weichen mussten.

Und immer gab es Stimmen, die dem alten Wien nachtrauerten, vielleicht gar nicht wissend, das „ihr“ altes Wien damals der Schrecken des noch älteren Wien war.

Viele Zitate von berühmten Persönlichkeiten zierten die Wände der Ausstellung, wo man sich kritisch mit den Neubauten in Wien auseinander setzte. Manche Stimmen des 19. Jahrhunderts meinten man demoliere Wien, andere warnten vor zuviel amerikanischem Einfluss. Und letztere Warnung stammte aus dem Jahre 1906!

Doch bevor Wien zu Amerika wurde, ging Wien nach Amerika! Bei der Weltausstellung von Chicago baute man den Neuen Markt in Wien nach, allerdings so, wie man sich das mittelalterliche Wien vorstellte.

Wie das damals ausgesehen hatte zeigte mir ein großer Raum, an dessen Wänden große Fotos der alten Wiener Stadt in Chicago montiert waren. In der Mitte des Raumes standen Bänke alter Bauart und so ließ ich mich für einige Minuten dort nieder und musterte das alte Wien rund um mich herum.

Ein Kompliment an die Ausstellungsmacher! Durch einen Spiegel wirkte der Raum noch größer als er eigentlich war und so fühlte ich mich wirklich wie auf einen alten Platz.

Ein paar Fotos zeigten mir, das auch andere Städte sich bei diversen Weltausstellungen abbildeten, wobei allerdings die Authentizität leider schon ein wenig verloren ging. Disneyland eben.

Ich aber zog weiter, und kam nun in den Raum über die typischen Wiener Typen. Was sind typische Wiener? Die Wiener Wäschemädel zum Beispiel! Nun, heute gibt es sie ja nicht mehr, ein Grund mehr sie in dieser Ausstellung zu thematisieren.

All zu lang hielt ich mich aber nicht bei den Wiener Wäschemädels auf, den aus dem nächsten Raum drangen seltsame Melodien an mein Ohr, und bei übergroßer Neugier hält es mich auch nicht bei der schönsten Frau.

Der nächste Raum beschäftigte sich mit Film und Operette, in denen das alte Wien ja auch abgebildet war. In einem kleinen Kino wurde ich darüber aufgeklärt wie im typischen Wiener Film die Stadt thematisiert wurde, wie auch das dort gemalte Bild sich im Laufe der Jahrzehnte änderte.

Nun, ob das so alles stimmt, lasse ich dahin gestellt, interessant war es allemal. Inzwischen war die Monarchie abgeschafft, Wien befand sich in der ersten Republik.

Überall wurde gebaut, das Volk brauchte modernen hygienischen Wohnraum und die berühmten Wiener Gemeindebauten entstanden. Diese waren allerdings akut gefährdet. Den nach nur 16 Jahren (!) Demokratie und vier Jahren Ständestaat wurde Wien zur Hauptstadt eines Gaues im neuen Deutschen Reich.

Alsbald war es von alliierten Fliegerbomben bedroht, aber auch von nationalsozialistischen Architekten, die Wien nach dem Endsieg ganz anders aufbauen wollten. Größer, Schöner, Germanischer…

Daraus wurde nichts. Nach 1945 ging aber der Umbau weiter, zahlreiche Zeitungsartikel, Baupläne und Filme zeigten mir, das dies nicht ganz reibungslos erfolgte. Häuser wurden besetzt um sie von der Zerstörung zu bewahren, am Spittelberg erhob sich ein ganzes Stadtviertel gegen Neubaupläne.

Die Zeiten haben sich geändert, nicht mehr Kaiserhaus und Führer entschieden über Neubauten, sondern lange TV Diskussionen und Demonstrationen begleiten große Bauvorhaben. Mit Ausschnitten aus der in Österreich sehr bekannten Diskussionsplattform Club 2 endete die Ausstellung.

Fazit

Bei dieser Ausstellung gefiel mir vor allem die Anordnung der Exponate. Zum ersten Mal erlebte ich, dass eine Ausstellung zu einem großen Teil nicht nur informativ ist sondern auch Wohlgefühl vermittelte. Und nicht zuletzt: die Ausstellung gab mir wertvolle Hinweise wie es wirklich war … damals, in Alt-Wien.

Stand: Februar 2005

Quellen / Weiterführende Links