Im Mai 2007 besuchte ich das Beinhaus in einem Vorort von Kutná Hora. Im Gegensatz zu anderen Beinhäusern waren hier die Knochen zu merkwürdigen Gebilden geformt.
Das Beinhaus lag im Vorort Sedlec an einer Stelle, wo 1142 ein Zisterzienserkloster gegründet worden war. Es handelte sich dabei um das erste Kloster dieses Ordens in Böhmen.
Zu den Aufgaben des Klosters gehörte auch die Bestattung der in der Umgebung Verstorbenen. Aber bald kamen die Verstorbenen auch von weiter her (natürlich wurden sie gebracht).
Der Grund war eine Sage, wonach der Abt des Klosters Erde vom Heiligen Grab in Jerusalem auf dem Friedhof von Sedlec verstreut hatte und damit den Friedhof in seiner Bedeutung aufwertete.
Im Jahre 1421 wurden dann während der Hussitenkriege das Kloster zerstört. Die Allerheiligen-Friedhofskapelle mit ihren zwei Türmen blieb aber erhalten.
Hier wurden nach und nach die Knochen der aufgelösten Gräber gelagert, zunächst um die Kapelle herum, später dann im Beinhaus im Untergeschoss.
Im Jahre 1511 begann dann ein halbblinder Mönch die Knochen der Verstorbenen zu Pyramiden zu stapeln, von denen ich noch einige sehen konnte.
Architektonisch wurde die Kapelle samt Beinhaus zum Beginn des 18. Jahrhunderts von Jan Santini Aichel im Stil der Barockgotik umgebaut.
Die entscheidende Veränderung, die alljährlich sehr viele Besucher anzieht, geschah aber erst nachdem 1874 das Kloster von Sedlec von Kaiser Joseph II. aufgehoben wurde.
Die Kapelle kam in den Besitz der Schwarzenberger von Orlík, die das Beinhaus in seine heutige Form gestalten ließen. Dies erfolgte in erster Linie durch den Schnitzer Frantisek Rint aus Skalitz.
Von diesem sah ich dann auch eine Art 'Signatur' an einer der Wände, die ebenfalls aus Knochenstücken gefertigt war. Aus dieser entnahm ich, dass er sein Werk 1870 vollendet hatte.
Ein Werk, welches ich als sehr makaber bezeichnen möchte. So gab es neben den Pyramiden des halbblinden Mönchs nun auch einen Kronleuchter mit Kerzen, der aus menschlichen Knochen gefertigt war.
In Nischen standen große Kelche in der Form von überdimensionalen Blumenvasen, welche ebenfalls aus Knochen, Schulterblättern und Schädeln geformt waren.
Die Krönung war aber wohl das aus Knochen zusammen gestellte Wappen der Besitzer des Beinhauses, den Schwarzenbergern. Diese hatten ja ein Wappen, wo ein Rabe einem Türkenkopf ein Auge auspickt.
Hier war zumindest der Rabenkopf nicht menschlichen Ursprungs, es war der Schädel eines Vogels. Der Türkenkopf wurde wieder durch einen menschlichen Schädel dargestellt, dessen Kleidung durch zwei Schulterblätter gebildet wurde.
Und all das in einem barocken Gewölbe wo zusätzlich Girlanden gleich, Schädel und Oberschenkelknochen von Ecke zu Ecke gespannt waren.
Schätzungsweise die Überreste von 40.000 Menschen sollen in dem Beinhaus gelagert sein, das laut Eigenbeschreibung mit dieser Darstellung den Menschen an die Endlichkeit seines Lebens erinnern möchte.
Eine Endlichkeit, die mir auch bei einigen separat ausgestellten Schädeln besonders klar wurde, die aus der Zeit der Hussitenkriege stammten. Löcher und Kerben in den Schädeldecken zeigten deutlich, woran sie gestorben waren.
Nach all diesen Anblicken war es direkt wohltuend über eine kleine Treppe in das Obergeschoss des Baus zu gehen und sich die eigentliche Kapelle anzusehen.
Auf der Heimfahrt dachte ich über den angemessenen Umgang mit sterblichen Überresten nach. Ganz im Reinen war ich nicht mit der Anordnung der Knochen.
Wäre es ein kultischer Ort gewesen, wo Menschen traditionell ihre Verstorbenen kunstvoll anordnen, wäre es vielleicht okay gewesen. Aber in diesem Fall handelte es sich wohl mehr um ein Werk eines Künstlers, welcher bei der Wahl seines Werkstoffes sehr weit ging...
Weitere Reisenotizen und Links
Webseite des Beinhauses