Im März 2008 besuchte ich im Wiener Museum Moderner Kunst (Mumok) eine Ausstellung über die Mathematik in den Kunstwerken von Dürer bis Sol LeWitt.

Als ich das erste Mal von dem Ausstellungsthema hörte, musste ich spontan an den Da Vinci Code denken. Und so ein Thema ist ja nie fade, als fuhr ich zum MUMOK im Wiener Museumsquartier.

Dort angekommen entdeckte ich durch die Einführungstafeln, dass es sich um Werke von Künstlern handeln würde, die in ihren Schaffen vor allem mit Geometrie, Farbtabellen, Zahlenreihen usw. experimentiert hatten. Sich also freiwillig einem Regelwerk unterwarfen, aus dem dann ihre Kunst entstehen würde.

Entsprechend des Ausstellungstitels begann die Ausstellung mit Druckstöcken von Albrecht Dürer, die bereits Mitte des 16. Jahrhunderts verschiedene Variationen von geometrischen Figuren abdruckten.

Die Werke von Sol LeWitt  folgte mit  39 Abzügen bald danach. Auf diesen hatte er wechselnde geometrische Figuren in anderen ständig wechselnden geometrischen Figuren eingeschrieben.

An sich nichts weltbewegendes, bis ich bemerkte, dass sich alle 39 Kombinationen auf das gleiche Gerüst aus Kreisen, Quadraten und Dreiecken stützte.

Beim Gang durch die nächsten Räume stieß ich auf immer neue Ideen, wie man sich quasi nach Naturgesetzen künstlerisch betätigen kann. Zum Beispiel durch geschicktes Ausnutzen der Wirkungen von Farben auf den Menschen.

Die Werke von Georges Vantongerloo waren meiner Meinung nach Räumlich nicht spektakulär, aber seine Farbflächen wirkten auf phantastische Art und Weise anziehend. Ein Hingucker sozusagen.

Andere Künstler versuchten mit Zahlen in einfachster Form zu arbeiten. Bei Roman Opalka dachte ich zuerst, er hätte große Leinwände  mit grauem Acryl ausgemalt.

Bis ich bemerkte, dass die großen Leinwände von oben bis unten mit aufsteigenden Zahlen bedeckt waren. So klein, das man es fast nur noch als Rauschen wahrnahm.

Angeblich hatte er vor vielen Jahrzehnten auf der ersten Leinwand mit der 1 begonnen und gedenkt bis zu seinem Lebensende immer neue Leinwände mit aufsteigenden Zahlen zu bedecken.

Eine simple Idee, doch voller philosophischer Tiefgründigkeit. Denn solange er zählt, lebt er noch. Und zählen wir nicht auch gerne die Tage? Zumindest jene bis zum nächsten Urlaub...

Aber auch komplexe Zahlenreihen fand ich umgesetzt, wie zum Beispiel die Fibonacci Zahlenreihe (0, 1, 1, 3, 5, 8 ...). Hier hatte sich  der Künstler Mario Merz etwas besonderes ausgedacht.

Er setzte in einem Mailänder Restaurant zuerst einen Gast, dann einen anderen, dann drei, dann fünf, dann acht in denselben Raum und fotografierte jede Gruppe einmal.

Von Foto zu Foto wurde der Raum merkbar voller und die Bedeutung dieser in der Natur eine besondere Rolle spielenden Zahlenreihe wurde fast durch die Fotos heraus spürbar.

Im obersten Stockwerk stieß ich dann auf eine Vielzahl von eher klassischen Werken, wenn man solche Werke wie von Paul Klee oder Max Ernst klassisch nennen darf. Aber auch sie ritten sehr innovativ die Variante, mit Geometrie Kunst zu gestalten.

Auch die dreidimensionale Variante durfte dabei nicht fehlen. Wundervoll und einmalig wirkende Skulpturen stellten sich bei näherer Analyse des Begleittextes als geometrisch exakt definierbare Objekte heraus.

Bei einem besonders fein ausgeführten Hohlmodell eines einschaligen Hyperboloiden konnte ich mir nicht die Idee verkneifen, mir solch ein Teil als Bleistiftbox auf den Schreibtisch zu stellen. Es hat ja nicht jeder einen Hyperboloiden in seinem Büro.

Mein absolutes Highlight der Ausstellung war aber ein Werk von Alighiero Boetti. Dieser hatte entlang einer Wand mehrere Tafeln mit  je fünf Reihen von 24 übereinandergelegten Briefumschlägen angebracht.

Oder in anderen Worten, an der Wand klebten 720 Briefumschläge. Alle diese Briefe waren in Afghanistan abgesendet worden, und wie ich mich an Hand der Stempel überzeugen konnte, an verschiedenen Tagen.

Das Spezielle waren aber die Briefmarken. Auf jedem Briefumschlag klebten die gleichen sechs verschiedenen Briefmarken, jedoch variierte ihre Reihenfolge auf den Umschlägen.

Durch die wechselnde Reihenfolgen entstand ein wunderbares Muster auf der Wand, ein Muster lediglich bestimmt durch die unterschiedlichen Motive der Marken.

An dieser Stelle fiel mir ein Spruch ein, den man oft in Museen moderner Kunst hört: 'Das hätte ich auch gekonnt!' - Ja, klar hätte ich es auch gekonnt, bloß eingefallen wäre es mir nicht.

Ich verließ die Ausstellung leicht verändert. Ich hatte an Hand zahlreicher Beispiele sehen können, dass man auch mit den engen Gesetzmäßigkeiten der Mathematik wundervoll kreativ umgehen kann. Man muss sich nur davon lösen, dass Mathematik was strenges und endgültiges ist...

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